Moderne Verkündigung
Roman Siebenrock ist Theologieprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck. Für das Projekt „Alpenjesus“ hat er in seine theologische Schatzkiste gegriffen und einige Bilder kommentiert. Die Texte dazu finden sich bei den jeweiligen Bildern. Im Folgenden schreibt er seine Gedanken darüber, was die Bilder über die Lebenswelt der jungen Menschen verraten.Ich finde die Bilder des Projektes „Alpenjesus“ sehr spannend, weil die jungen Menschen keine Porträts von Jesus entworfen haben. Es sind vielmehr prototypische Szenen ihres eigenen Lebens. Sie stellen die Frage danach, wie das Leben eigentlich läuft und bergen eine implizite Botschaft in sich. Offenbar ist in den Schülerinnen und Schülern das Bilderverbot wirksam geblieben. Keine/r wollte unbedingt den Jesus spielen. Es ist auch nirgends der Lehrer ausdrücklich dargestellt. Nirgendwo sieht man einen Jesus, der sich hinstellt und verkündet. Die Verkündigung geschieht in der Alltagssituation, dort, wo die Menschen stehen. Die Szenen sind nicht gespielt, sondern repräsentieren das eigene Leben.
Zwei Themen sind es, die mir in den vorgestellten Bildern immer wieder begegnen: Ausgrenzung und Versuchung. Sie zeigen, wie Gruppenbildung funktioniert: Durch Ausgrenzung. Und sie machen die Gier, das Habenwollen, zum Thema. Die Zehn Gebote warnen zweimal eindringlich: Du sollst nicht begehren. Diese Warnung findet man auch bei Konfuzius, bei Buddha, in den alten ägyptischen Jenseitsvorstellungen. Der Mensch ist offensichtlich ein Wesen der Sehnsucht, das durch nichts zur Ruhe gestellt werden kann.
Was mir bei allen Bildern auffällt: Sie wollen keine Idylle, keine Romantik. Sie zeigen das Leben, wie es für die Jugendlichen heute ist. Die Jugendlichen inszenieren eine moderne Form der Verkündigung. Man könnte fast sagen, diese Bilder halten unserem Leben einen Spiegel vor. Für mich ist eindeutig zu sehen, dass die Jugendlichen, die bei diesem Projekt mitgemacht haben, auf der Theologie des hl. Franzsikus stehen. Und diese heißt: Glaube und Gerechtigkeit oder auch Glaube und Leben. Aber sie heißt nicht: Glaube und Wahrheit, mit der die Jugendlichen in ihrem Leben nicht unmittelbar etwas zu tun haben. Sie suchen auch nicht den historischen Jesus oder das wahre Antlitz Christi, sondern zeigen, wie die Botschaft in ihre ganz konkrete Lebenssituation hineinspielt. Den Jugendlichen war es völlig freigestellt, wie sie die Szenen gestalten. Insofern kommt damit etwas von ihrem religiösen Empfinden zum Ausdruck.
Die Bilder des „Alpenjesus” zeigen, dass es eine tief empfundene Diskretion bei den jungen Menschen gibt, Jesus ganz plakativ darzustellen. Man merkt, dass viele Geschichten und Szenen des Evangeliums offensichtlich so tief mit dem menschlichen Leben verwoben sind, dass sie immer wieder zum Ausdruck kommen. Die Bilder stellen niemanden bloß, sind auch nicht besonders provokativ in ihrer Bildsprache, sodass sie Skandale auslösen könnten. Sie haben sich selbst in der Gruppe dargestellt und insofern sind es diskrete, intime Porträts ihres eigenen Lebens.
Zur Person:
Univ.-Prof. Dr. Roman Siebenrock ist Theologe und lehrt an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.